Trennungskinder und was das mit den Beteiligten ganz gerne so macht…
Foto: Justin Bockey

Trennungskinder und was das mit den Beteiligten ganz gerne so macht…

 

Scheidung ist nie einfach, und besonders für die Kleineren unter uns kann es zu einer intensiven, emotionalen Achterbahnfahrt werden. In meiner jahrelangen Arbeit als Coach habe ich immer wieder gesehen, wie tiefgreifend und nachhaltig die Auswirkungen einer Trennung auf Kinder sein können. Lasst uns das mal genauer betrachten und schauen, was in Patchwork-& Scheidungs-Familiensituationen aus Sicht von Beziehungs-Energien oft übersehen wird.

 

Die unsichtbare Last der Schuld

 

Kinder aus Scheidungsfamilien geben sich ganz unbewusst in irgendeiner Form ganz oder teilweise die Schuld für das Scheitern der Beziehung ihrer Eltern. Es ist fast ein instinktiver Reflex, ein Versuch, ihre innerste Schutzzone aufrechtzuerhalten. Sie kennen nur diese und so geben sie bereitwillig alles, um das Unvermeidliche zu vermeiden. Passiert es dann doch, sind sie überzeugt, dass sie nicht gut genug waren, dass ihr Wert nicht ausgereicht hat, um die Familie zusammenzuhalten. Diese Selbstzweifel können das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit nachhaltig und identitätsbildend beschädigen.

 

Stellt euch das vor wie ein kleines Segelschiff auf einem stürmischen Meer. Das Kind versucht verzweifelt, das Schiff auf Kurs zu halten, obwohl die Wellen der elterlichen Konflikte es immer wieder aus der Bahn werfen. Der ständige Kampf gegen den Sturm hinterlässt Spuren – Schuldgefühle, Versagensängste und ein tiefes Gefühl der Unsicherheit. Erst recht, wenn das Schiffchen dann trotz aller Bemühungen sinkt.

 

Der Schutzinstinkt: Ein zweischneidiges Schwert

 

Wenn die primären Bezugspersonen sich trennen, bricht ein unsichtbarer Schutzschild, den das Kind um jeden Preis versucht, irgendwie wiederherzustellen. Oft schlüpft es in eine Beschützerrolle für den vermeintlich schwächeren Elternteil. In dieser Dynamik übernehmen Kinder dann die Rolle des Partners – sie werden zum emotionalen Rückhalt, zum Trostspender und manchmal sogar zum Entscheidungsträger.

 

Diese gekippten Beziehungsenergien sind extrem kraftvoll, prägend und identitätsbildend. Das Kind wächst in die neue Rolle hinein und verteidigt diese oft gegen seine eigenen, durch die emotional verheerende Situation marginalisierten Interessen. Es wird zum Schutzschild für einen Elternteil, während es selbst kaum noch Raum hat, Kind zu sein. Unbewusst versucht es oft jahrelang krampfhaft weiter, die Elternteile wieder zusammenzuführen, um doch nicht komplett versagt zu haben. Das Loslassen dieser Rolle würde bedeuten, sich erneut der Verletzlichkeit zu stellen – ein Risiko, das viele Kinder nicht eingehen wollen. Der sich im extremen Mangel befindliche Elternteil hat weder die Kraft noch das Bewusstsein, diesen toxischen Mechanismus zu durchschauen und nimmt die Erwachsenen-Energie des Kindes gerne an, um selbst verletztes Kind sein zu dürfen oder an den eigenen Wunden nicht zu zerbrechen.

 

Die toxische Lösung und ihre Folgen

 

Wenn ein Kind in die Elternrolle geht, entsteht eine toxische Dynamik. Das Kind opfert seine eigene kindliche Unbeschwertheit, um den emotionalen Bedarf der Eltern zu decken. Diese Verschiebung kann traurige, bedrückende Lebensgeschichten fördern, da die ursprüngliche Identität des Kindes stark beschädigt wird. Es geht in der neuen Rolle auf und verteidigt sie bis aufs Blut, weil diese neue Rolle zur Quelle von Stabilität und Sicherheit geworden ist. Es geht komplett darin auf.

 

Der Weg zur Heilung: Bewusstsein und Unterstützung

 

Familien, insbesondere Eltern, die sich trennen, sollten staatlich gecoacht werden, um ein Bewusstsein für diese archaischen Mechanismen zu entwickeln. Nur so kann Raum für das Kind und letztendlich für alle entstehen, um zu heilen. So dass Kinder wieder Kinder sein dürfen und Erwachsene, auch wenn sie im Mangel und verletzt sind, ihre elterliche Verantwortung wieder übernehmen. Es geht darum, die Rollen und energetischen Abläufe klar zu erkennen, die damit verbundenen Muster anzuerkennen und den Kindern ganz klar immer wieder den Raum zu geben, das Bewusstsein zu entwickeln, dass sie nicht für die Probleme der Erwachsenen verantwortlich sind. Und dass sie am Ende des Tages keine Schuld an der Trennung der Eltern haben, ganz egal, ob diese vollzogen wurde oder nur energetisch stattgefunden hat.

 

Leider wird im Alltag oft wenig Rücksicht auf diese Dynamiken genommen. Eltern, die ihre Schuldgefühle kompensieren wollen, neigen dazu, sämtliche äußeren Wünsche ihrer Kinder zu erfüllen oder irgendwie zu versuchen, krampfhaft Harmonie zu erzeugen und es allen Beteiligten ja “recht” zu machen. Doch materielle Geschenke können den emotionalen Schaden nicht reparieren. Stattdessen ist es wichtig, emotionale Unterstützung, Verständnis und Raum zu bieten.

 

Der Schlüssel liegt im Bewusstsein

 

Der wichtigste Schritt zur Heilung liegt in der Bewusstwerdung und in der Offenheit und Ehrlichkeit mit sich selbst, auch wenn das am Anfang schmerzvoll sein kann – bei den Eltern und bei den Kindern. Eltern dürfen erkennen, welche Verantwortung sie tragen und wie sie ihren Kindern Möglichkeiten geben können, das Erlebte einzuordnen, ohne ihnen unbewusst noch mehr Lasten aufzubürden. Kinder brauchen Raum, um ihre Gefühle auszudrücken und zu verstehen, dass sie unabhängig von der Beziehung ihrer Eltern geliebt werden und wertvoll sind.

 

Es ist manchmal ein langer Weg, aber mit Verständnis, Unterstützung und einer klaren Trennung der Rollen können wir helfen, dass diese untergehenden Segelschiffe keine emotionalen Wasserleichen hinterlassen, sondern für die Beteiligten sichere Rettungsinseln bereitstehen, mit denen relativ entspannt wieder ruhigere Gewässer und fruchtbarer Boden erreichbar sind.

 

Mitunter treiben diese Mechanismen im individuellen Fall gerne eigenartige Blüten, die schwer zu durchschauen sind und erst durch die Begleitung erfahrener Menschen wirklich identifiziert und in Auflösung gebracht werden können. Generell gilt, je früher reagiert und begleitet werden kann, desto besser. Wenn sich Muster erstmal richtig tief eingefressen haben, ist der Weg oft Geduld fordernd und steinig. Unter anderem steht uns mit biodynamischer Craniotherapie ein kraftvolles Werkzeug zur Verfügung, das am Verstand vorbei sehr hilfreich wesentliche Unterstützung für positive Veränderungsprozesse bieten kann.

 

Also bleibt locker, lacht viel und erinnert euch daran: Jeder Tag bietet eine neue Chance für Heilung, Wachstum und positive Veränderung.

 

Gruss & Kuss,

Euer Stefan, der “Handwerker” fürs Herz mit Herz.

 

www.stefanrey.com/wege-aus-der-krise

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