
Gefühle am Arbeitsplatz? Warum wir sie nicht ausschalten, sondern besser verstehen sollten.
Von: Nancy Hanisch
Expertenprofil von Nancy Hanisch anzeigenWir alle haben sie: Gefühle. Sie gehören zu uns wie unser Atem, unser Herzschlag, unsere Gedanken. Und doch behandeln wir sie oft, als wären sie etwas Störendes, besonders im Arbeitsalltag. Als müsste man sie vor Betreten des Büros an der Garderobe abgeben, um dort „funktionieren“ zu können. Aber die Wahrheit ist: Gefühle lassen sich nicht einfach ausknipsen. Sie sind immer da. Ob wir es wollen oder nicht.
Sie beeinflussen, wie wir denken, wie wir kommunizieren, wie wir entscheiden. Und vor allem: wie wir miteinander umgehen. Ob im Team, im Gespräch mit Kolleg*innen, in der Führung oder sogar in einer aufkeimenden Beziehung im Job. Gefühle begleiten uns. Überall. Dauernd. Und sie wollen verstanden werden.
Gefühle sind keine Schwäche – sie sind ein inneres Navigationssystem
In einer Welt, die oft auf Effizienz und Leistung ausgerichtet ist, wirken Gefühle wie ein Stolperstein. Wer emotional ist, gilt schnell als unprofessionell. Wer Nähe zulässt, als unklar in der Abgrenzung. Wer sich verliebt, womöglich sogar am Arbeitsplatz, als jemand, der "sich nicht im Griff hat".
Aber: Gefühle sind keine Störung. Sie sind eine Rückmeldung unserer inneren Welt. Sie sagen uns, was uns wichtig ist. Was uns berührt. Was uns fehlt. Wer Gefühle versteht, hat Zugriff auf eine tiefere Form von Intelligenz: die emotionale Intelligenz. Und die ist in zwischenmenschlichen Beziehungen, ob privat oder beruflich, oft entscheidender als jede Fachkompetenz.
Intimität – was wirklich Nähe schafft
Wenn von Intimität die Rede ist, denken viele sofort an körperliche Nähe oder Sexualität. Doch Intimität beginnt viel früher und nicht erst beim Körperkontakt. Sie beginnt dort, wo wir uns zeigen, mit dem, was uns wirklich bewegt. In einem echten Gespräch, in einem aufrichtigen Blick, in einem Moment, in dem wir uns trauen, weniger perfekt und mehr menschlich zu sein.
Diese Form von Intimität ist nicht auf romantische Beziehungen beschränkt. Sie entsteht überall da, wo Menschen einander mit echtem Interesse begegnen: im Team, in der Mittagspause, im Austausch nach einem schwierigen Meeting.
Intimität in Beziehungen, auch im beruflichen Umfeld, ist kein Risiko - wenn sie bewusst gelebt wird. Sie ist eine Ressource. Sie stärkt Vertrauen, vertieft Zusammenarbeit und schafft ein Gefühl von Zugehörigkeit, das durch keine Teammaßnahme künstlich erzeugt werden kann.
Liebe am Arbeitsplatz – Realität statt Tabu
Es passiert täglich, und doch wird kaum darüber gesprochen: zwei Menschen lernen sich bei der Arbeit kennen, fühlen sich zueinander hingezogen und plötzlich verändert sich etwas. Was dann? Schweigen, heimlich leben, Risiken eingehen? Oder offen damit umgehen?
Liebe am Arbeitsplatz ist kein seltener Ausnahmefall. Sie ist eine natürliche Folge dessen, dass wir mit Menschen Zeit verbringen, mit ihnen arbeiten, lachen, uns zeigen. Wenn daraus mehr entsteht, ist das nicht gefährlich. Es ist menschlich.
Entscheidend ist, wie bewusst wir damit umgehen. Ob wir Klarheit schaffen, Grenzen wahren, Strukturen respektieren. Und ob wir bereit sind, Beziehung und Verantwortung miteinander zu denken, statt sie gegeneinander auszuspielen.
Vertrauen entsteht dort, wo Gefühle Platz haben
In jeder Form von Beziehung, ob im Job oder im Privaten, ist Vertrauen das Fundament. Vertrauen entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Echtheit. Durch das Erleben: „Ich darf hier ich sein.“ Vertrauen wächst, wenn Gefühle Raum haben, ohne bewertet zu werden.
Ein vertrauensvolles Umfeld im Berufsleben zeigt sich nicht daran, dass alle gleich ticken. Sondern daran, dass Unterschiede wertgeschätzt werden. Dass Menschen sagen dürfen, was sie fühlen, ohne Angst vor Abwertung.
Das bedeutet nicht, alles emotional auszuleben. Es bedeutet vielmehr, Gefühle ernst zu nehmen. Sie weder zu verdrängen noch zu dramatisieren – sondern sie bewusst zu integrieren. Als Teil eines gesunden Miteinanders.
Gefühle machen keine Pause – also lerne, mit ihnen zu leben
Ob du willst oder nicht: Deine Gefühle sind da. Auch zwischen 9 und 17 Uhr. Auch im Zoom-Call. Auch beim Jour Fixe. Sie zeigen sich subtil – in deinem Tonfall, in deiner Körpersprache, in deinen Entscheidungen. Oder ganz deutlich – in Momenten der Nähe, der Unsicherheit oder der Verbindung.
Gefühle sind wie ein inneres Navigationssystem. Sie zeigen dir, was du brauchst. Wo du hinwillst. Und auch, wo etwas nicht stimmt. Wer lernt, mit diesem inneren Kompass zu arbeiten, wird klarer. Mit sich und anderen. Und genau darin liegt das Potenzial: für dich selbst, für dein Team, für dein ganzes (Arbeits‑)Leben.
Fazit: Gefühle gehören zum Leben – und damit auch zur Arbeit
Du kannst deine Gefühle nicht ausschalten. Aber du kannst lernen, mit ihnen bewusst umzugehen. Sie zu verstehen. Sie zu nutzen. Als Wegweiser, als Brücke, als Ressource.
Gefühle sind nicht der Gegensatz zu Klarheit. Sie sind ihr Ursprung. Sie zeigen, wo es Verbindung gibt oder wo ebendiese fehlt. Und sie machen sichtbar, was Menschen im Innersten bewegt.
Ob Intimität, Vertrauen oder sogar Liebe, auch am Arbeitsplatz: all das ist Teil des menschlichen Daseins. Wer das versteht, kann bewusster leben, tiefer führen und klarer begegnen.
Du möchtest mehr erfahren?
Wenn du merkst, dass Gefühle in deinem (Arbeits-)Alltag eine größere Rolle spielen, als du bisher zugelassen hast und du lernen willst, damit sicher und ehrlich umzugehen: Dann begleite ich dich gerne. In Vorträgen, Seminaren oder im persönlichen Gespräch.
Denn Gefühle arbeiten immer mit. Die Frage ist: Willst du sie verstehen oder ignorieren?