Ist Profit First für Liquiditätsmanagement in Unternehmen geeignet?
Von: Michael Dieringer
Expertenprofil von Michael Dieringer anzeigenUm diese Frage beantworten zu können müssen wir uns anschauen, was Profit First überhaupt ist und wie es funktioniert.
1. Was ist Profit First und wie funktioniert es in der Praxis?
Profit First ist ein System, das die betriebswirtschaftlichen Themen in einem Unternehmen auf eine tägliche Handlungsbasis herunterbricht. Im Grunde genommen wird das übernommen, was früher die Großmütter mit der sogenannten Lohntüte gemacht haben. Sie haben das Geld genommen und auf verschiedene Briefumschläge verteilt: z. B. Miete, Lebensmittel, Kleidung, usw. Dadurch hatte das vorher "anonyme Geld" eine feste Funktion. Es war jetzt klar: Die Miete darf ich nicht für etwas anderes verwenden, sonst sitze ich morgen auf der Straße.
Im Unternehmen habe ich zwar kein physisches Geld und auch keine Briefumschläge mehr. Die Idee dahinter lässt sich aber durchaus übertragen. Indem ich jedem Geldeingang einen bestimmten Verwendungszweck zuordne, kann ich sicherstellen, dass das Geld nur dieser einen Verwendung zugeordnet ist und für nichts anderes mehr verwendet werden kann.
Die Verteilung funtioniert hier nicht über Briefumschläge sondern über verschieden Bankkonten. Durch Festlegung von bestimmten Prozentsätzen werden alle Geldeingänge in regelmäßigen Abständen auf die einzelnen Bankkoten verteilt. Grundsätzlich gibt es folgende Bankkonten: Gewinn, Inhabergehalt, Steuerrücklage und laufende Kosten.
2. Für wen ist das System als Liquiditätsmanagement Werkzeug geeignet?
Kleine Unternehmen und insbesondere Inhabergeführte Unternehmen verfügen meist nicht über eine eigene Controllingabteilung oder eine betriebswirtschaftliches Steuerungssystem. Zahlen über das eigene Unternehmen aus der betriebswirtschafltichen Auswertung liegen häufig mit starker zeitlicher Verzögerung vor und sind nur bedingt aussagekräftig. Sie werden häufig als Zahlenfriedhof angesehen und entweder noch in Papierform in Schubladen oder Ordnern oder als pdf-Dokument auf der Festplatte abgelegt und dort vergessen.
Das Buch Profit First setzt seine Zielprozentsätze daher für Unternehmen bis 50 Millionen Euro Umsatz an. Sicherlich eine Größenordnung oberhalb derer man ein vollumfängliches Controlling erwarten kann. Unterhalb dessen findet man jedoch eher den beschriebenen Zustand vor.
Der eigene Kontostand hingegen, ist fast jedem Unternhemen oder Unternehmerin bekannt und bewusst. Immerhin ist es zwingend notwendig zu wissen, welches Geld für die zu zahlenden Rechnungen und Gehälter vorhanden ist.
Da das System auf der Verteilung von Geld auf Konten basiert ist die Hauptvoraussetzung, dass das Unternehmen so überschaubar ist, dass eine Person den Überblick behalten kann und die Entscheidungsbefugnis über alle betrieblichen und gegebenenfalls privaten Konten hat.
Das heißt, das System eignet sich für alle Unternehmen, die die genannten Voraussetzungen erfüllt.
3. Was macht Profit First anders als die "klassische Betriebswirtschaftslehre"?
Profit First berücksichtigt explitizit die menschliche Psychologie. Für uns Menschen ist es unheimlich schwer einer Versuchung zu widerstehen. Dies ist in verschiedenen psychologischen Experimenten bewiesen worden. Ein hoher Kontostand stellt für den Menschen und zwar unerheblich mit welcher Vorbildung eine starke Versuchung dar. Durch die Verteilung auf andere Bankkkonten und insbesondere mit der Zuweisung fester Verwendungszwecke (z. B. Staatsknete - für Steuern) wird diese Versuchung ausgeräumt. Das Ausräumen der Versuchung ist etwas anderes als mit Willenskraft dagegen anzukämpfen. Denn der Versuchung zu widerstehen hat oft das zur Folge, was wir von Diäten kennen: Den sogenannten "Jojo-Effekt". Da ich der Versuchung so erfolgreich widerstanden habe, habe ich doch jetzt erst recht eine Belohnung verdient?
Profit First macht sich auch andere psychologische Effekte zu nutze. Hier sei vor Allem der "Parkinsonsche Effekt" genannt.
Dieser hat nichts mit der Parkinson Erkrankung gemeinsam sondern besagt viel mehr, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen um an unser gewünschtes Ziel zu gelangen. Das führt im schlechtesten Fall dazu, dass wir für ein Ziel, dass wir für 5.000 € hätten erreichen können, doch 10.000 € einsetzen, weil uns diese auf dem Konto noch zur Verfügung standen.
Umgekehrt heißt es jedoch auch, dass wir jedes Ziel auch nur mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erreichen können. An dieser Stelle setzt Profit First an und limitiert die zur Verfügung stehenden Mittel. Hier ist der Unternehmer bzw. die Unternehmerin gefragt durch Kreativität, steigerung der Produktivität und Einsparung von Kosten mit weniger Mitteln zum Ziel zu gelangen.
4. Ist Profit First ein Wundermittel das alle Probleme in einem Unternehmen beheben kann?
Nein Profit First ist natürlich kein Wundermittel. Es dient zunächst mal dazu Probleme sichtbar zu machen. Um auf das Großmutter Beispiel zurück zu kommen: Wenn am Ende zwar die Miete bezahlt werden kann, aber kein Geld für Lebensmittel übrig ist, lässt das nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder kommt zu wenig Geld rein oder geht zu viel Geld raus.
Wer sein Liquiditätsmanagement dieser einfachen Betrachungsweise unterziehen möchte, für den ist Profit First auch als Liquidätsmanagementsystem geeignet.