Fünf gute Gründe und drei erste Schritte für die Standardisierung der Elektrokonstruktion
Von: Frank Meinert
Expertenprofil von Frank Meinert anzeigenViele Unternehmen aus dem Elektroanlagen- und Maschinenbau denken derzeit über eine Standardisierung der Konstruktion und der Schaltschrankfertigung nach. Und das aus gutem Grunde. Zunehmender Wettbewerbsdruck macht den Akteuren das Leben zusehends schwer. Hinzu kommen schwindende Absatzmärkte, vor allem in China.
Gründe für die Standardisierung der Elektrokonstruktion
Grund 1: Runter mit den Kosten
Erklärtes Ziel vieler Unternehmen ist daher die Kosten für Konstruktion und Fertigung zu reduzieren. Mit einem gut durchdachten Konstruktions- und Fertigungsstandard rückt dieses Ziel in greifbare Nähe. Neben der Kostenreduzierung ergeben sich aber noch weitere Vorteile, die die Akteure meistens gar nicht auf dem Schirm haben.
Grund 2: Verkürzung der Durchlaufzeiten
Mit einem durchgängigen Standard werden die Durchlaufzeiten erheblich reduziert. Für eine Schaltplanseite braucht die Elektrokonstruktion etwa 60 Minuten. Durch eine Standardisierung kann die Zeit nahezu halbiert werden. Nämlich auf etwa 35 Minuten. Wenn in einem weiteren Schritt mit einem Schaltplangenerator gearbeitet wird, kann die Zeit auf 10 Minuten pro Schaltplanseite minimiert werden.
Grund 3: Reduzierung von Fehlern
Üblicherweise werden alte Projekte kopiert und auf das neue Projekt abgeändert. Das ist sehr fehlerträchtig, weil Fehler von Projekt zu Projekt mitgeschleppt werden. Durch ein Baukastensystem sind alle Funktionseinheiten durchkonstruiert. Neue Pläne werden manuell oder mit einem Generator jedes Mal neu erstellt. Das spart nicht nur Zeit, sondern reduziert die Fehlerquote erheblich.
Grund 4: Standardisierte Dokumentation
Im Regelfall hat jeder Konstrukteur seine eigene Handschrift. Die Dokumentation ähnlicher Anlagen oder Maschinen unterscheidet sich dadurch erheblich. Mit standardisierten Funktionsgruppen sieht die Dokumentation, egal aus welcher Feder sie stammt, immer gleich aus. Das spart Zeit und Nerven in der Fertigung. Cooler Nebeneffekt. Normen und Vorschriften können leichter eingehalten werden.
Grund 5: Klarere Strukturen
Durch die Optimierung der Arbeitsabläufe sind die Strukturen der verschiedenen Abteilungen transparent. Das sorgt nicht nur für mehr Motivation bei den Mitarbeitern, sondern verkürzt auch die Einarbeitung neuer Kollegen erheblich.
Viele Unternehmen haben keinen Plan, wie sie eine Standardisierung der Elektrokonstruktion und der Schaltschrankfertigung angehen können. Im Folgenden werden die ersten drei Schritte erläutert.
Erste Schritte für die Standardisierung der Elektrokonstruktion
Schritt 1: Ein Projektteam bilden
Die Standardisierung und Optimierung der Elektrokonstruktion ist ein Projekt. Sie brauchen einen Auftraggeber, einen Projektleiter, ein Projektteam und vor allem ein Budget. Hier scheitern bereits viele Unternehmen, weil sie über die bloße Absichtserklärung „man sollte hier mal etwas tun“ nicht hinauskommen. Weitere Hürde ist die Zeit. Es sollte Zeit für das Projekt freigehalten werden. Eine Größe, die sich bewährt hat, ist etwa 20% der Arbeitszeit für die Standardisierung zu reservieren. Das entspricht einem Arbeitstag pro Woche. Stemmen die Projektbeteiligten das allein oder holen sie sich Hilfe bei einem Unternehmensberater? Grundsätzlich können die Unternehmen das allein schaffen. Dennoch ist der geschulte, erfahrene und neutrale Blick eines externen Beraters sehr hilfreich. Schon allein deswegen, weil er nicht betriebsblind ist.
Schritt 2: Welche Konstruktionsmethode wende ich an?
Die erste Frage, die sich das Projektteam stellen sollte, ist die nach der Konstruktionsmethode. Wird Top Down oder Bottom Up gearbeitet?
Bei Top Down gibt es für das CAE-System (z.B. EPLAN) ein Musterprojekt. In ihm ist der komplette Anlagen- oder Maschinentyp mit allen Varianten und Optionen abgebildet. Bei einem neuen Auftrag wird aus dem Musterprojekt eine Projektkopie erstellt und alle Dinge, die nicht benötigt werden, werden herausgelöscht. Diese Methode ist für den Sondermaschinenbau weniger geeignet. Macht jedoch Sinn bei einer Serienfertigung.
Bottom Up ist eine Methode, bei der jedes Projekt aus einem Funktionsbaukasten neu generiert wird. Die meiste Arbeit steckt darin, diesen Funktionsbaukasten aufzubauen. Die besondere Herausforderung ist die Granularität der einzelnen Funktionsbausteine. Also die Frage, wie groß wird ein Funktionsbaustein. Soll ein Schaltplangenerator eingesetzt werden, sollte dies gleich mitberücksichtigt werden.
Schritt 3: Schnittstellen definieren
Hier wird geklärt und vereinbart, welche Abteilung welche Informationen in die Konstruktion liefert und wer welche Informationen aus der Elektrokonstruktion bekommt. Arbeitet der Schaltschrankbau mit Fachkräften, die nach Schaltplan verdrahten, werden andere Anforderungen gestellt, als wenn Hausfrauen oder Studenten die Verdrahtung vornehmen. Müssen Fertigungsmaschinen mit Daten versorgt werden oder nicht? Das sind nur zwei Fragen, die beantwortet werden müssen.
Weitere Schritte
Es sind noch viele weitere Schritte notwendig, um das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Soll das Projekt zu den 80% gehören, die irgendwann im Sande verlaufen oder zu den 20% der Projekte, die zu einem glücklichen Ende geführt werden. Sie haben es in der Hand.