Macht der Würde: Warum unsere Gesellschaft trotz Fortschritt entwürdigend bleibt – und was sich ändern muss

Macht der Würde: Warum unsere Gesellschaft trotz Fortschritt entwürdigend bleibt – und was sich ändern muss

Die Gesellschaft wird vielfältiger, offener, moderner – zumindest auf dem Papier. Doch unter der Oberfläche brodelt ein anderes Bild. Dr. Maria Gronig deckt auf, warum echte Würde in unseren Strukturen oft keinen Platz hat – und was wir verändern müssen, um ein menschlicheres Miteinander zu ermöglichen.

 

Zwischen Fortschritt und Realität: Der blinde Fleck im gesellschaftlichen Wandel

Unsere Welt ist in Bewegung: Diversität wird gefeiert, Inklusion betont, Gleichberechtigung eingefordert. Doch während sich Oberflächen modernisieren, bleiben viele systemische Dynamiken in alten Mustern gefangen.

 

Dr. Maria Groinig, Wissenschaftlerin, Keynote Speakerin, Psychodrama-Leiterin, Organisationsentwicklerin und Expertin für Kinder- und Jugendhilfe, bringt es auf den Punkt:

 

„Wir geben der Macht der Würde zu wenig Raum.“

 

In einer Zeit, in der Trauma wissenschaftlich durchdrungen wird, stellt sie eine essentielle Frage: Was ist eigentlich das Gegenteil von Trauma?

 

Würde ist mehr als ein Prinzip – sie ist ein Handlungsauftrag

In ihren Forschungen zeigt Dr. Groinig: Würde ist kein theoretisches Konzept, sondern ein konkreter Maßstab für unser Miteinander. Besonders in Kontexten mit Machtasymmetrien – wie der Kinder- und Jugendhilfe oder der Pflege älterer Menschen – wird sie zur kritischen Ressource.

 

„Viele Traumatisierungen entstehen durch Menschen – nicht durch Naturkatastrophen. Die Art, wie wir miteinander umgehen, entscheidet.“

 

Doch in Organisationen, in Strukturen, im Alltag fehlt oft der Raum für Reflexion, für langsames Denken, für echte Menschlichkeit. Change-Management? Ja, davon gab es genug. Aber ohne Perspektive der Würde bleibt es oft oberflächlich.

 

Was fehlt: Anleitungen, Impulse und Räume für neue Kultur

Dr. Groinig hat auf Basis ihrer Forschung eigene Programme entwickelt, die Unternehmen, Trägern und Verbänden helfen sollen, ihre Organisationskultur würdevoller zu gestalten.
Der Unterschied: Es geht nicht nur um Prozesse und Effizienz, sondern um das Fundament des sozialen Miteinanders.

 

Drei konkrete Impulse, die Organisationen verändern können:

      1. Reflexionsräume schaffen:
        Nicht alles muss schneller, lauter, effizienter sein. Raum für Reflexion ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für echte Veränderung.

      2. Machtverhältnisse erkennen und ausbalancieren:
        Wer spricht? Wer wird gehört? Wer entscheidet? Würde beginnt dort, wo Macht geteilt wird.

      3. Netzwerke stärken:
        Kollaboration statt Isolation – besonders in Übergangsphasen im Lebenslauf (z. B. Leaving Care) braucht es tragende Gemeinschaften. 

 

Leaving Care, Alter, Demografie – Würde an den Bruchstellen des Lebens

Besonders deutlich wird Dr. Groinigs Perspektive im Umgang mit jungen Menschen, die das System der Kinder- und Jugendhilfe verlassen:

 

„Mit 18 Jahren auf sich allein gestellt, ohne familiäres Netz – wie soll das funktionieren?“

 

In ihrem kommenden Fachbuch analysiert sie diese Bruchstellen des Lebens differenziert. Doch die Problematik endet nicht mit dem Jugendalter. Auch das Altern in unserer Gesellschaft wird zunehmend zu einer würdelosen Herausforderung, wenn Pflege, Betreuung und sozialer Rückhalt auf das Minimum reduziert werden.

 

Fazit: Ohne Würde keine Zukunft

Der Appell von Dr. Maria Groinig ist deutlich: Wenn wir als Gesellschaft wirklich vorankommen wollen, brauchen wir mehr als technische Innovation oder wirtschaftliches Wachstum. Wir brauchen eine Kultur der Würde.

 

Das bedeutet, Menschen nicht als Funktionsträger zu sehen, sondern als Subjekte mit Geschichte, Bedürfnissen und Rechten – vom Jugendalter bis ins hohe Alter.

 

Organisationen, Institutionen und Führungskräfte stehen in der Verantwortung, Räume zu schaffen, in denen das möglich wird.

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