Folge dem Ruf der Freiheit
Foto: Barbara Sevcyk

Folge dem Ruf der Freiheit

Von: Dr. Birgit Leypoldt

Was ich aus meinen bisher 41 Jahren als Ärztin und den schätzungsweise 120 000 Kontakten mit Menschen gelernt habe ist, dass uns der Verstand hereinlegt, denn er zwingt uns in ein Regelwerk hinein, das unsere Kreativität, unsere Träume und unsere Freiheit beschneidet. So sehr wir ihn schätzen sollten, denn wer möchte schon den Verstand verlieren, kann er uns nur glücklich machen, wenn wir ihn unserer Freiheit unterordnen und nicht umgekehrt. Meine berufliche Tätigkeit hat mich in enge Strukturen gepresst, in enge Zeitstrukturen, analytische Strukturen, Gesetzesstrukturen. So war es kein Wunder, dass ich mich aus dieser Enge in meiner Freizeit befreit habe und dem Ruf der „Wildnis“ gefolgt bin, In meiner Jugend bestand dieser Ruf in langen Rennradtouren, die Pedale unter den Füßen, den Wind im Gesicht spüren, den Kampf der Muskeln, das Pumpen des Herzens, den Straßenstaub im Gesicht. Hungrig irgendwo was essen und wieder in den Sattel, um dann müde und glücklich anzukommen, befreit von allen Strukturen. Später waren mir die Pulsbereiche, in denen ich unterwegs war, meinem Mann folgend, zu hoch, so dass ich umstieg auf Hochtouren. Das war anders. Auf Hochtouren gehst du langsam und stetig. Nicht mehr der Geschwindigkeitsrausch steht im Vordergrund, sondern der Höhenrausch. Hinauf! Höhe gewinnen! Stetig dranbleiben! Zittern, wenn dir die Höhe Angst macht! Weitergehen! Und dann dieses Gefühl der grenzenlosen Freiheit. Freiheitsrausch!

Dieses Lebensgefühl kenne ich also schon, als mich mit knapp 60 Jahren meine größte Lebenskrise erwischt. Die Firma meiner Mutter meldet Insolvenz an. Ich war nie in der Firma beteiligt, hatte jedoch irgendwann einmal, ohne weiter nachzufragen, auf Wunsch meiner Mutter ein Papier unterschrieben. Sie wollte damit vermutlich die Finanzen nach ihrem Tod verteilt haben. Finanzen haben mich tatsächlich nie interessiert, Wohlstand schon. Meine Praxis hatte ich immer intuitiv geführt, niemals planerisch. Und es lief gut. Ich hatte großen Arbeitsaufwand, Stress ohne Ende, es ging uns jedoch finanziell sehr gut. Es war das, was ich wollte. Ich wollte keinen Gedanken an Geld verlieren, sondern einfach leben, wie es mir gefiel. Das musste bei weitem nicht immer Luxus sein. Ich liebe durchaus auch ganz einfache Dinge und kann sehr bescheiden sein. Ich liebe es jedoch genauso, Geld auszugeben, wenn mir etwas gefällt oder eine Sehnsucht in meinem Herzen berührt. Das war bis zu dem Zeitpunkt kein Problem. Ab diesem schicksalhaften Tag hat sich jedoch alles geändert, denn es schien so, als würde meine Familie alles verlieren und wir würden auf keinen grünen Zweig mehr kommen. „Ein langes Arbeitsleben lang abgerackert“, dachte ich. Nichts als Minusausbeute übriggeblieben. Dieser Zustand, diese Ungewissheit hielt knappe 10 Jahre an, traf mich also in einem Alter, in dem sich andere überlegen, die Füße hochzulegen und einfach nur noch zu entspannen. Es hat mein Inneres umgedreht. Ich habe meine Unbeschwertheit verloren, den Glauben an meine Kraft. Ich war am Boden. Da habe ich begonnen, zu meditieren und Trancezustände in mir zu erwecken. Ich kannte das, denn ich habe mit knapp 40 Jahren eine Ausbildung zur NLP – Trainerin absolviert und immer wieder, auch in meinem Berufsleben, damit gearbeitet, allerdings nie konsequent. Diese Arbeit hat mich dahin geführt, wo ich heute stehe. Ich beginne nochmal ganz neu. Ich folge dem Ruf der Freiheit. Darin unterstütze ich in meinen Kursen auch andere. Meditation ist inzwischen nur ein Werkzeug, allerdings ein Machtvolles, ebenso wie Mentaltraining. Der wichtigste Schritt war die Änderung meiner Denkstruktur. Dieses neue Gedankengebäude hat sich nach und nach entwickelt und mich gelehrt, destruktive Illusionen zu ersetzen durch konstruktive. Das ist bei weitem nicht immer leicht. Deshalb habe ich mir auch gesagt“ Ganz oder gar nicht. No limits.“ Deshalb mache ich die Kurse nicht so nebenbei, sondern bin ganz dabei, ich lebe sie vor. Ich baue täglich neue Limitierungen ab. „In deinem Alter?“ fragst du vielleicht. „Genau, in meinem Alter.“ Abgesehen davon, dass ich der Überzeugung bin, dass wir viel länger leben könnten, wenn wir unsere Limitierungen, auch gesellschaftlich, abbauen, weiß doch kein Mensch, wie lange er seine Arbeit noch tun kann. Warum sich also einschränken? All in! Hinein in das Gefühl der Freiheit! Die Füße heben vom schweren Boden! Nicht festkleben an alten Mustern. Fordere dich heraus! Lass dich von dir selbst überraschen. Sei proaktiv. Warte nicht, bis dir einer die Erlaubnis gibt. Erlaube dir. Knicke die gesellschaftlichen Regeln, wenn es sein muss. Löse dich von deinen Ketten. Steige aus aus der begrenzten Vernunft und nutze deine Powerkräfte, die in dir stecken und gezähmt wurden. Du hast alles in dir, was du brauchst. Steige in die Illusion deiner Freiheit ein und lasse die Illusion deiner Begrenzungen hinter dir. Der Ruf der Freiheit ist immer der Ruf des Lebens. Hast du je eine Pflanze gesehen, die sich eingeengt hat, um nicht den Blumentopf zu sprengen? Ich nicht. Sie wächst und wächst dem Licht entgegen. Sie nutzt jeden Krümel Erde, den sie finden kann und lässt sich nicht aufhalten. Ihre Wurzeln sprengen schließlich den Topf, wenn sie alles an Erde verbraucht hat. Ihre Kraft ist gewaltig. Sie holt sich, was sie braucht. Es ist nicht Göttlichkeit, uns klein zu halten. Es ist Göttlichkeit, uns zu unserer wahren Größe zu verhelfen. Alle Programme darfst du hinterfragen, wenn sie deine Lebenslust einschränken. Das kann niemals das Gesetz des Lebens sein, uns in der Ausdehnung, uns im Wachstum zu stoppen. Die Energiesparprogramme unseres Körpers dienen nur dazu, uns die Kraft zu Entwicklung zu geben, sie nicht zu verschleudern, sondern sie für uns einzusetzen.

Unsere evolutionäre Entwicklung und unsere individuelle Entwicklung zeigen uns ganz klar, dass nicht die Vernunft das Sagen hat, sondern der Traum, die Sehnsucht, der Ruf unseres Lebens. Schon Albert Einstein wusste das und folgte beharrlich seinen Träumen. Die moderne Neurowissenschaft zeigt es uns. Das Wissen ist da. Studien gibt es genügend dazu. Was hält uns ab, es auch umzusetzen? Nur die Angst hält uns ab. Wir brauchen den Mut, unsere Sabotteure zu entdecken und uns aus ihren Klauen zu lösen. Es wird uns nichts passieren, denn das Leben ist für uns. Sieh dir all die Menschen an, die dem Ruf der Freiheit nicht folgen. Sieh ihre Traurigkeit, ihre Verbissenheit, ihre Enttäuschung. Du hast die Wahl. Wähle klug, denn du musst mit deiner Wahl leben.

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